Das Einreiten - Mit Geduld zur vertrauten Partnerschaft


Pferdeausbildung:
Das Einreiten!

Schritt 1:
Die Ausbildung eines Pferdes beginnt für mich ab dem Zeitpunkt der Geburt.
Unsere Fohlen bekommen bereits an ihrem ersten Lebenstag ein Halfter angezogen und damit beginnt die Ausbildung!
Denn je früher man beginnt, die Pferde behutsam und spielerisch an alle Sachen zu gewöhnen, desto problemloser wird der gemeinsame Weg.
Die Erfahrungen der ersten Monate und Jahre prägen die Pferde fürs ganze Leben. Daher ist es umso wichtiger, dass man sich Zeit für sie nimmt, um ihnen viele Dinge zu zeigen. Dazu zählen für mich Berührungen am ganzen Körper, Halfter, Führen, Hufe geben, Putzen und vieles mehr. Das einfache Grund ABC der Pferdeausbildung.

Noch wichtiger als alles, was der Mensch mit dem Jungpferd macht, sind natürlich die Sozialkontakte zu anderen Pferden! Dazu zählen nicht nur gleichaltrige Spielkameraden, sondern auch ältere Pferde, die auf ihre Art maßregeln und erziehen!
Nur so lernen die Fohlen bzw. Jungpferde Sozialverhalten!

Schritt 2:
Ist das Fohlen dann nach ca 6 Monaten von der Mama abgesetzt, kann der nächste Schritt erfolgen.
Die kommenden Jahre beinhalten bei uns Schrecktraining, Hängertraining, Spaziergänge und die Festigung des Basis ABC aus Schritt 1.
All diese Sachen bilden nicht nur eine Grundlage für die spätere Reitausbildung, sondern schaffen eine feste Pferd-Mensch-Beziehung, die nicht auf Zwang aufbaut, sondern auf VERTRAUEN. Dieses Vertrauen wird die Basis aller folgenden Aufgaben werden und ohne dieses wird Nichts zwanglos funktionieren.

Schritt 3:
Ein Pferd ist erst mit 6-7 Jahren ausgewachsen. Vorher sind Knochen und Muskulatur im Aufbau und man kann riesige Schäden anrichten, wenn man diese zu früh belastet!
Genauso wie ich mein Kind keine Einkaufstüten in den 5. Stock tragen lasse, setze ich mich auch nicht auf ein Jungpferd! Meine Meinung ;)
Das heißt ja auch nicht, dass man nicht so viele andere Sachen mit seinem Jungpferd machen kann, wie Longieren, Stangenarbeit, Zirkuslektionen, Freiarbeit, Gewöhnung an Sattel und Decken. Die Vorbereitung ist das A & O!!! Denn sie bereitet nicht nur muskulär, sondern auch mental auf das Reitergewicht vor!

Unsere Araber werden mit 4-5 Jahren an diese Dinge gewöhnt. Die Trense habe ich bewusst weglassen, weil ich versuche, gebisslos auszubilden. Ich bin aber nicht grundsätzlich gegen Gebisse. Das muss jeder individuell und auch nach den eigenen Zielen entscheiden.

Mein wichtigstes Hilfsmittel in der Ausbildung ist meine Stimme. Ich habe von Anfang an klare Kommandos in immer den gleichen Tonlagen und auch das Lob erfolgt immer gleich. So lernt mein Pferd, auf meine Stimme und meine dazu passende Körperhaltung zu achten. Ich lobe dabei wirklich jeden auch noch so kleinen Schritt in die richtige Richtung!

Schritt 4:
Im nächsten Schritt ist es sinnvoll einen Helfer parat zu haben, der das Pferd vorne festhält, während ich mich seitlich auf den Pferderücken lege, um das erste mal Gewicht darauf zu bringen. Dabei lobe ich das Pferd auf beiden Seiten und klopfe den Bauch und die Schultern sanft ab. Immer unterstützt mit der Stimme!
Wenn ich das ein paar Mal ruhig im Stehen machen konnte und mein Pferd dabei entspannt dasteht, ist der nächste Schritt, dass der Helfer das Pferd dabei ein paar Schritte anführt. Dabei spielen meine Arme & Beine, die auf den Seiten herunterhängen, "Schenkel" und wackeln ein bisschen herum. Dabei berühren sie den seitlichen Bauch und auch mal die Schulter des Pferdes. Das alles dient der Desensibilisierung für den kommenden Schenkel.
Klappt das alles gut und mein Pferd ist entspannt bei der Sache ist der nächste Schritt, dass ich über eine Aufsteighilfe oder auch die Räuberleiter des Helfers zum ersten Mal aufsteige.
Das Pferd darf dabei immer auch seinen Kopf zur Seite in Richtung meiner Schenkel drehen und wird ausgiebig gelobt! Es darf sich ruhig anschauen, was da auf einmal passiert.
>> Vorsicht bitte beim Schenkel über den Popo nehmen beim Aufsteigen, dass man nicht hängen bleibt oder rüberschleift. Dabei könnte sich das Pferd erschrecken!

Wichtig ist einfach, dass das Pferd in der Situation Vertrauen entwickelt und das Gefühl hat, dass alles in bester Ordnung ist, weil Frauchen oder Herrchen ja da ist ❤️
Das erste Aufsteigen ist bei mir immer ein emotionaler und oft auch tränenreicher Moment, weil es einfach für mich so eine Güte ist, die mir das Pferd in diesem Moment erweist, weil es mich auf seinem Rücken duldet, dass mich das jedes Mal sehr rührt.

Klappt es im Stand folgen auch dann die ersten im Schritt geführten Meter. Dabei sollte auch der Helfer eine Person sein, die das Pferd kennt und der es vertraut!
Viel Geduld und Einfühlungsvermögen sind der Schlüssel zu einer vertrauten Partnerschaft.
Viel Geduld und Einfühlungsvermögen sind der Schlüssel zu einer vertrauten Partnerschaft.
Das Rüberhängen sowie das erste Aufsitzen mache ich ohne Sattel, weil man einfach auch mal eben schnell wieder runter rutschen kann, sollte es doch mal erforderlich sein.

Da das Pferd den Sattel schon durch die vorbereitende Longenarbeit kennt, kann ich das Aufsitzen und geführt werden mit Sattel bereits nach wenigen Einheiten einbauen.
Ich habe trotz Helfer ein Sidepull mit Zügeln drauf, die ich in der Hand halte!

Schritt 5:
Lässt sich mein Pferd nun ganz entspannt führen und hat auch schon ein bisschen meinen Schenkeldruck im Schritt kennenlernen dürfen, nimmt der Helfer eine Longe oder ein Bodenarbeitsseil und es beginnt ein lockeres Longieren.
Da mein Pferd schon vorher sehr gut darauf trainiert wurde, auf Stimme zu reagieren, ist es für mich nun kein Problem von oben das Tempo Schritt und Halt vorzugeben und von oben mit den Sitz- & Zügelhilfen zu koppeln. Hat mein Pferd das alles in mehreren Einheiten gut verstanden, folgt das erste Antraben. Immer nur ein paar Meter und wieder parieren.
Tempo aufnehmen können die Pferde, das muss man nicht üben. Daher reite ich immer nur ein paar Meter im Trab und konzentriere mich lieber auf viele Übergänge!

Den Galopp nehme ich in dieser Phase noch lange nicht dazu! Der kommt irgendwann von ganz alleine, wenn Balance und Muskulatur da sind und muss hier noch nicht trainiert werden!

Schritt 6:
Kann ich nun also aufsteigen, Losreiten, antraben und parieren? Reagiert mein Pferd sicher, aber entspannt auf den Schenkeldruck und meine Stimme?
Dann darf der Helfer die Longe losmachen und es folgen die ersten freien Runden im Schritt. Dabei hilft ein Roundpen ungemein, weil das Pferd es gewohnt ist im Kreis zu laufen und das Lenken erstmal nicht wichtig ist.
Aber genau das kann ich dann üben. Ich gebe sehr deutlich übertriebene Zügel- und Gesäßhilfen, um meinem Pferd die Wendungen zu zeigen. Unterstützend hilft ein Stimmkommando (bei mir ist es das "Rum").
Wichtig auch hier immer: Jeder Schritt in die richtige Richtung wird belohnt!!!

Schritt 7:
Freies Traben
Zunächst trabe ich im Zirkel oder auf der ganzen Bahn. Klappt das gut, versuche ich meine vorher erarbeiteten Wendungen einzubauen (durch zum Beispiel wechseln durch die ganze Bahn oder aus dem Zirkel).
Dabei kommt es in keinen Fall auf Stellung und Biegung an. Erstmal muss das Pferd sein Gleichgewicht finden und die Aufgabe grundsätzlich verstehen.

Schritt 8:
Das erste Mal im Gelände :)
Ich gehe immer relativ früh mit meinen Pferden ins Gelände!
Sie kennen das durch viele Spaziergänge vorher, sodass ich keine schreckhaften Hibbelgeister unter mir habe, sondern entspannte, motivierte Partner, die sich auf einen Ausflug freuen.
Dabei läuft der Helfer zunächst mit! Oder aber ich habe ein älteres Verlagspferd, bei dem mich der Helfer als Handpferd mitnehmen kann.
Ein Schrittausritt ist erstmal das Ziel.
Auch hier im Gelände versuche ich die Konzentration meines Pferdes bei mir zu halten, indem ich zum Beispiel plötzlich anhalte oder die Wegseite wechsle.

Nach ein paar Mal darf der Helfer dann mit dem Fahrrad mitfahren, damit ich das Traben auch im Gelände üben kann
Dabei trabe ich anfangs vor allem im Wald, da die Wege dort eine gewisse Linie und Richtung vorgeben. Feldwege rahmen da noch zu wenig ein. Kann aber auch eingebaut werden je nach Bauchgefühl

Irgendwann fährt der Helfer so schnell, dass mein Pferd, um hinterherzukommen, einfach locker in den Galopp fällt und *swupps*, da ist der erste Galopp und das auch noch im Gelände :)
Ist euch das zu gefährlich? Warum??? Euer Pferd ist doch auf Stimme trainiert.
Nach ein paar Sprüngen pariere ich durch und lobe ganz ergiebig!

So, das sind meine 8 Schritte des Einreitens. Auf dieser Basis kann man dann weiter aufbauen

Zusammenfassend ist mir noch wichtig zu sagen, dass ich hier meine Art der Pferdeausbildung schildere, die absolut nicht allgemeingültig ist und auch nicht bei jedem Pferd so Punkt für Punkt funktioniert!!!! Oft, sehr oft, ... Nein - eigentlich immer - wiederholen sich Punkte oder ich muss zwischendrin noch mal einen Punkt zurückgehen oder sogar von ganz vorne anfangen! Das ist von Pferd zu Pferd individuell und ich sollte mir für die Ausbildung keinen Zeitplan festlegen!
Es gibt Pferde, die habe ich in 4 Wochen geländesicher ausgebildet und es gibt Pferde mit denen arbeite ich mehr als 1 Jahr, um sie überhaupt als "angeritten" bezeichnen zu können. Lasst euch Zeit und hört, was euer Pferd euch sagt! Sie geben uns die besten Zeichen, wann der nächste Schritt erlaubt ist und es macht so viel Spaß!!❤️

Habt ihr die Möglichkeit dazu, ein erfahrenes Pferd mit ins Gelände zu nehmen? Dann tut es auf jeden Fall! Das hilft wirklich ungemein und euer Pferd wird sich viel abgucken und an Sicherheit gewinnen!
Zeitlich gesehen bitte ich euch, die Einheiten des Reitens anfangs wirklich im Minutenbereich zu halten!
5-10 Minuten reiten zum Beispiel reichen vollkommen aus beim Anreiten!!!
Und versucht immer mit einem positiven Ergebnis abzuschließen. Euer Pferd merkt, wenn ihr zufrieden absteigt

Macht euch auch keine Vorwürfe, wenn ihr euer Pferd zum Beispiel einfach mal 2 Wochen auf die Koppel stellt! Es wird nichts verlernen, sondern hat Zeit, die gelernten Sachen zu verarbeiten und zu speichern - auch das ist wichtig!!!

Ohje, mir fallen wirklich noch tausend Sachen ein, die ich zum Anreiten sagen könnte. Im Grunde muss aber jeder seine eigenen Erfahrungen machen und solltet ihr unsicher sein, holt euch kompetente Hilfe!
>>Damit meine ich nicht: Gebt euer Pferd in fremde Hände zum Einreiten!!! Bitte nicht!
Euer Pferd braucht das Vertrauen zu EUCH! Und nicht zu jemand anderem!
Wichtig ist, dass ihr diese Erfahrungen gemeinsam macht. Aber ein neutraler Helfer, der zur Not Rat weiß und beobachtend oder Tipps gebend zuschaut, ist Gold wert!

Und ich kann euch versprechen: Es gibt nichts Schöneres als irgendwann mit seinem Pferd über die Wiesen zu galoppieren mit ausgebreiteten Armen und zu sagen:" Yes, das haben wir alles gemeinsam erreicht! " ❤️❤️❤️

Ich freue mich schon darauf, mich mit euch über eure Ansichten des Einreitens auszutauschen und sachlich über meine zu diskutieren ;)
Natürlich sind auch alle eure Fragen willkommen!! :-)

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